VORWORT
Herzlich Willkommen bei der digitalen Ausgabe meines „Bericht aus Mainz“. Diese Version passt sich automatisch auf ihr Endgerät an und erleichtert somit die Lesbarkeit. Natürlich können Sie sich den Bericht aber auch nach wir vor im pfd-Format herunterladen. Viel Vergnügen.
LIEBE LESERINNEN UND LESER.
Ihnen liegen heute quasi drei Berichte aus Mainz gebündelt in einem vor. Neben dem klassischen Bericht, der sich mit Landespolitik und der Komponente Wahlkreis beschäftigt, füge ich zwei Sonderbeilagen hinzu: Ich möchte sie mitnehmen, zum Einen auf meine Sommertour „Hier dahaam“ und zum Anderen auf meine Reise nach Amerika, wo ich als Teil der Delegation des Vereins „Partnerschaft der Parlamente“ einen Kongress amerikanischer Landtagsabgeordneten besuchte.
Wie immer leite ich den Bericht aus Mainz aber auch mit einem politischen Kommentar ein. Schlage ich die Zeitungen und Zeitschriften der Republik auf, könnte man meinen, die Sozialdemokratie sei bereits tot. Oder dass man ihr das letzte bisschen Leben noch vorsorglich nehmen möchte. Ganz vorne dabei sind Medien wie der Focus (Zitat: „Peinlich“, „Unter Niveau“- Gemeint sind Vorschläge zur Vermögenssteuer, gepaart mit dem guten alten „Rote Socken“-Mythos.- Den finde ich übrigens „peinlich“ und „unter Niveau“), oder die ARD, die uns „Trotz“ unterstellt (was ich übrigens nicht als schlechteste Eigenschaft ansehe. Trotz ist auch Kampfeslust). Der Vergleich mit der Titanic wird bemüht (Tagesspiegel) oder, für alle, die es noch deutlicher wollen: die alte Tante ist tot (Cicero). Wenn ich „SPD Niedergang“ in eine Suchmaschine eingebe, erhalte ich 0,38 Sekunden 349 000 Ergebnisse. Und auf der ersten Seite steht nicht ein Blatt, das als „unseriös“ gelten würde. Stattdessen: Spiegel Online, der BR, die Wirtschaftswoche und die FAZ. Ich will die Presse gar nicht schelten. Aber einen Wunsch habe ich: weniger reißerisch wäre schon schön. Und ich möchte einige daran erinnern, dass die Presse nicht umsonst als 4. Macht in diesem Gefüge der Gewaltenteilung gilt. Und schon Spiderman wusste, dass mit viel Macht viel Verantwortung einhergeht.
Natürlich greift es zu kurz, wenn man nur die Medien in die Verantwortung nimmt. Die SPD tut schon auch Einiges dazu. Aber sie versucht durchaus auch neue Wege zu gehen. Ich erlebe vor Ort kämpferische Genossen und viel Elan. Klar, man kann zum Verfahren um die Findung eines Parteivorsitzenden unterschiedlicher Meinung sein. Ich selbst stehe einer Doppelspitze beispielsweise kritisch gegenüber. Was mich aber freut ist, dass die Bewerber, die ins Rennen gehen, so heterogen sind. Wie großartig: Wir nehmen auch Landespolitiker und die Kommunalen in den Fokus und zeigen wie gut wir eigentlich in der Breite aufgestellt sind. Sorry, aber die CDU hat das nicht hinbekommen. Sie bleibt sehr Berlinbetrieb-zentriert. Auch AKK war vorher schließlich erst einmal Generalsekretärin und ist seit 2010 im Bundespräsidium der Partei. Ich finde es toll, dass unsere Basis mitbestimmen kann und ich empfinde unsere Regionalkonferenzen hierzu nicht „provinziell“ sondern als Möglichkeit, dass eben auch Basismitglieder hautnah dabei sein können, ohne nach Berlin zu müssen. Kurzum: Ich werbe dringend für den Besuch der Konferenzen (am 10.09. um 18 Uhr beispielsweise in Nieder-Olm) und den die Registrierung bei der Online-Abstimmung.
Für mich persönlich ist die Entscheidung, die uns prägen wird übrigens auch nur in zweiter Linie die des Vorsitzes. Entscheidend ist für mich, wie die Partei mit der Frage der Koalition umgeht, denn für mich geht es hier auch um inhaltliche Prägung und die Frage des eigenen Profils. Im Dezember entscheidet ein Parteitag hierüber, bei dem ich Delegierte bin. Ich werde vorher den Kontakt zu meinen Ortsvereinen suchen und wie beim letzten Mal ein Stimmungsbild einholen. Ich wünsche mir für meine Lieblingstante jedenfalls, dass sie sich erholt. Und zwar rasch. Und dass sie mutiger wird und sich ihres Kerns besinnt. Denn dann wird deutlich: Ohne „sozial“ geht nichts. Und das ist eben auch der Unterschied zwischen uns und anderen.
Herzlichst,
Nina Klinkel
AUS DEM WAHLKREIS
Land macht den Weg für Kreiswohnbaugesellschaften frei
Gute Nachrichten aus Mainz: Das rheinland-pfälzische Bauministerium teilte mit, dass zukünftig der Weg für Kreiswohnbaugesellschaften frei sei. Landkreise, Städte und Gemeinden können bei der Schaffung von sozialem Wohnraum nun enger kooperieren. Die Schaffung von bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum in der Region ist die brennende soziale Frage unserer Zeit. Es fehlt an Wohnungen und es fehlt insbesondere an günstigen Wohnungen. Es muss gebaut werden und es muss durch die öffentliche Hand sozial verträglich gebaut werden. Wir können unsere Ortsgemeinden und kleinen Städte sich hier nicht selbst überlassen. Es braucht mehr kommunale und genossenschaftliche Modelle, eben auf Kreisebene. Und ich fordere die Landrätin jetzt auch auf, hier zu reagieren. Es ist nun nicht mehr möglich die Thematik von sich wegzuschieben und schlicht auf "Nichtzuständigkeit" zu verweisen. Die Ortsgemeinden und Städte im Landkreis brauchen Unterstützung. Und das ist auch die Linie der Kreispartei. Steffen Wolf meint hierzu: "Es ist eine zentrale Forderung der SPD Mainz-Bingen gewesen, eine Kreiswohnbaugesellschaft einzurichten. Der Siedlungsdruck ist enorm und die Preise steigen kontinuierlich an. Wir freuen uns, dass die Landesregierung den Weg nun frei macht und uns ein Instrument an die Hand gibt, mit dem wir die Problematik überörtlich angehen können."
Gefahrenlage entscheidet mit bei der Ampel in Großwinternheim: Querungszahlen nicht unbedingt ausschlaggebend
Ich bin froh, dass wir Befürchtungen, eine Fußgängerampel in Großwinternheim an der stark befahrenen L 428 auf der Höhe des neuen Bürgerhauses/Kita (Schwabenheimer Straße) könnte an den erforderlichen Querungszahlen der Fußgänger scheitern, zerstreuen können.
Ich hatte mich gemeinsam mit dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD Landtagsfraktion in einer Anfrage diesbezüglich an das zuständige Ministerium gewandt.
Mit Christian Lebert, dem Ortsvorsteher, stelle ich klar: „Aus dem Schreiben der Staatssekretärin Schmitt geht klar hervor, dass die örtlich verantwortliche Straßenverkehrsbehörde eine sogenannte Lichtzeichenanlage anordnen kann, wo dies zum Einen zwingend erforderlich sei, aber auch wo zum Anderen aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehe“. Diese sehen wir gegeben, aber auch die Ingelheimer Behindertenbeauftrage Anne Kleinschnieder ist derselben Auffassung: „Die gesamte Schwabenheimer Straße hat an keiner Stelle eine gesicherte Querung für Fußgänger, außer den Querungshilfen an den Bushaltestellen. Diese Querungsstellen sind aber für Blinde, Sehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen nicht nutzbar. Nun beherbergt das neue Bürgerhaus auch eine Kita, einen Seniorentreff und bietet den Vereinen einen Treffpunkt. Das bedingt eine Querung der Straße“.
Die Staatssekretärin bestätigt in ihrem Antwortschreiben, dass beispielsweise bei Gefährdung besonders schutzbedürftiger Personen (z.B. älterer Menschen im Bereich eines Seniorenheimes) eine Fußgängerampel auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Verkehrsrichtwerte nicht erreicht werden könnten. Voraussetzung hierfür sei, dass in zumutbarer Entfernung keine gesicherte Querung möglich sei, bzw. anders kein Schutz erreicht werden könnte.
Wir sind der Stadt Ingelheim sehr dankbar, dass sie bereits Planungen in die Wege geleitet hat.
Ingelheim wehrt sich gegen Rechte
Das Wochenende um den 17. 8. stand in der Rotweinstadt eigentlich unter einem anderem Anlässlich des Todestages des Kriegsverbrechers Rudolf Heß am 17.8. hatte sich erneut eine Kundgebung von Rechtsextremen in Ingelheim angekündigt. Die Stadt zeigte wieder in einem breiten Bündnis aus Zivilgesellschaft, Parteien, Gewerkschaften, Organisationen, Gruppen und Vereinen Gesicht gegen Rechts. Danke.
Neue Aufgaben im Land und im Wahlkreis
Ich freue mich sehr, dass meine Fraktion mich nun in den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur entsendet und dort gleich mit einer wichtigen Aufgabe versehen hat: Ich freue mich auf die Aufgabe als Gedenkpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.
In der Enquete-Kommission Tourismus des Landes bin ich zudem am 30.08. zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden.
Auch kommunalpolitisch freue ich mich auf eine neue Aufgabe: Ich danke meiner Fraktion im Stadtrat Nieder-Olm recht herzlich für die Wahl zur Fraktionsvorsitzenden.
AUS DEM LAND
Rheinland-Pfalz bekommt das modernste Kita-Gesetz
Nach 28 Jahren bekommt Rheinland-Pfalz ein neues Kindertagesstättengesetz. Es ist das modernste Kita-Gesetz Deutschlands. Die Novellierung ist wegweisend und notwendig: Die Lebenswelten von Familien haben sich seit 1991 verändert und die Anforderungen an Fachkräfte haben sich gewandelt. Diesen Veränderungen wird das neue Kita-Zukunftsgesetz gerecht. Die Landesregierung startet eine Investitionsoffensive. Es werden rund 80 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich in die Kitas fließen – zusätzlich zu den 700 Millionen Euro, die das Land bereits jetzt jährlich investiert. Das zusätzliche Geld führt zu noch mehr Qualität in den Kitas, zu einem erheblichen Stellenaufwuchs und zu einem besseren Personalschlüssel. Weitere Verbesserungen stellen der Rechtanspruch auf sieben Stunden Betreuung am Stück, die Ausweitung der Gebührenfreiheit ab zwei Jahren, das Sozialraumbudget mit einem Volumen von 50 Millionen Euro und ein transparenteres Finanzierungssystem dar. Die Kita-Landschaft in Rheinland-Pfalz wird auf ein zukunftsfestes Fundament gestellt und die Qualität der frühkindlichen Bildung weiter ausgebaut.
Dem illegalem Welpenhandel einen Riegel vorschieben
Die Fraktionen von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen haben heute einen gemeinsamen Antrag „Tiere sind keine Ware – Online-Handel mit Tieren rechtlich regeln“ beschlossen. Dazu erkläre ich als tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion:
„Tiere sind keine Ware, sie sind Lebewesen, die unseren Schutz verdienen. Aus gutem Grund gibt es daher für den Handel mit Tieren strenge Auflagen. Leider müssen wir feststellen, dass in der Anonymität des Internets das illegale Geschäft mit Welpen, Kätzchen und anderen Tieren floriert. Oft früh von der Mutter getrennt und gesundheitlich unterversorgt werden vor allem kleine Welpen aus dem Ausland – vorwiegend aus Osteuropa – nach Deutschland gebracht und zu Billigpreisen an Hundeliebhaber verkauft. Viele dieser Tiere leiden später an chronischen Krankheiten, sterben früh oder sind verhaltensauffällig.
Tierschutzorganisationen schätzen, dass illegale Welpenhändler allein in Deutschland jährlich 400 Millionen Euro im Netz verdienen. Kleinanzeigen-Plattformen im Internet sind die zentralen Räder in diesem Getriebe. Vor allem einfach wird es unseriösen Anbietern dort gemacht: Um sich auf einem Portal als Verkäufer zu registrieren, bedarf es in der Regel lediglich einer E-Mail-Adresse. Kontrollen der Identität des Verkäufers sind dort Fehlanzeige. Ob Händler über eine Genehmigung verfügen, ob die Tiere tierschutzgerecht gehalten werden und nicht zuletzt ob die tierseuchenrelevanten Vorgaben umgesetzt werden, ist für Käufer nicht erkennbar. Um den illegalen Tierhandel im Internet einzudämmen braucht es daher dringend gesetzliche Regelungen, durch die Händler stärker als bisher in die Verantwortung genommen werden.
Zum Schutz der Tiere und der Käufer setzen sich die Landtagsfraktionen in ihrem Antrag für strengere Regeln beim Online-Handel mit Tieren ein. Um illegalen Geschäften im Schutz der Anonymität des Internets einen Riegel vorzuschieben, fordern die Landtagsfraktionen unter anderem eine bundeseinheitliche Zertifizierung der Online-Verkaufsportale und eine Identitätspflicht für Verkäufer. Damit die großen Online-Plattformen nicht länger die Augen vor illegalen Aktivitäten auf ihren Seiten verschließen können, braucht es aus Sicht der Landtagsfraktionen zudem eine belegbare Eigenkontrollpflicht der Portale. Darüber hinaus machen sich die Fraktionen für rechtsverbindliche und bundesweit einheitliche Tierschutzstandards beim Online-Tierhandel stark. So sollen im Bundestierschutzgesetz sowohl der Handel als auch das Anbieten von Tieren im Internet verbindlich geregelt werden. Zum Schutz vor unseriösen Verkäufern und Einhaltung von tierärztlichen Standards braucht es zudem bereits vor dem öffentlichen Verkauf eine einheitliche EU-weite Registrierungspflicht.“
KURZTICKER
Landarzt- und Amtsarztquote für Medizinstudienplätze kommen ++ Verlängerung der Bestattungsfrist auf 10 Tage eingebracht ++ Kommunen sollen künftig in ihren Satzungen ein Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit verankern können ++ Ampel-Koalition will rechtliche Lücken beim Upskirting schließen ++ SPD Fraktion fordert bundesweite Mobilfunk-Strategie ++ Fahrzeugflotte der Polizei wird modernisiert
TERMINE
Es stehen wieder Veranstaltungen an, zu denen ich ganz herzlich einlade:
4. September, 18 Uhr. 3. Blaulicht-Runde, dieses Mal öffentlich zum Thema:
21. September, 10 Uhr: 3. Ortsvereinsrunde, nicht-öffentlich
25. September, 19 Uhr: Let’s talk politics. Runde für den politisch interessierten Nachwuchs mit den Jusos Bodenheim. Unser Gast ist Alexander Schweitzer. Eingeladen sind alle Interessierten.
SONDERBEILAGE 1: „HIER DAHAAM“ – Sommertour 2019
Eigentlich hatte ich nur geplant, mit ein paar, mir besonders spannend vorkommenden, möglichst unterschiedlichen Rheinhessen ins Gespräch zum Thema „Heimat“ zu kommen. „Heimat“, ein Begriff, der so diffus ist, dass er viele Deutungen zulässt. Der aber niemals exklusiv ist, sondern einschließt und partizipieren lässt. Ein Begriff, der mir deshalb so wichtig ist. Keine verkrampfte Diskussion und schon gar nichts „Völkisches“ liegt für mich in diesem Wort. Nicht einmal etwas Volkstümliches und auch nichts Pathetisches. Dafür etwas Erdendes und Grundehrliches. Heimat ist zu Hause. Das sind Wurzeln, die in alle Richtungen ausschlagen können und trotzdem Halt geben. Das ist ein Gefüge von Menschen, Orten und Sprache und alles, was formt. Ich bin all den Menschen dankbar, die mir ihre Tür öffneten und mich in ihr Leben ließen, um über ihre persönliche Heimat zu sprechen. Vor unserer Kamera und noch viel mehr dahinter.
Es begann mit Andreas Schmitt, der lebenden Fastnachtslegende, dessen donnernde Lache ich seit meiner Kindheit kenne. Andreas, mit dem ich an diesem heißen Sommerabend Fastnachtsvorträge anschaute, dessen Frau mir nach viel Wein abends um 10 ein Schnitzel briet, damit ich weder vom Fleisch, noch vom Stuhl fiel. Andreas Satz „Heimat, das ist für mich Rheinhessen. Und wenn sie mich aus Rheinhessen ausweisen würden, dann wäre es auch mit mir vorbei“ berührte mich sehr. Ich lernte viel über das Fastnachts-Schwergewicht, unseren „Obermessdiener“, der notfalls auch Pfälzer geworden wäre, eine schwarze jugendpolitische Vergangenheit hat, Parallelen zwischen der Fastnacht und der Politik sieht und am Ende natürlich aus der Bibel zitiert.
Liesel Metten indes lud mich bei Kaffee und Kuchen in ihren wundervollen Garten ein, öffnete ihr privates Fotoalbum und schilderte mir Heimat als Reise. Ihre Zeichnung mit der Unterschrift „Wir sind im Unterwegs zu Hause“ hängt jetzt in meinem Wohnzimmer. Im Garten der Familie Metten, zwischen Skulpturen und Ziegen, traf ich auch Crissy Hemming, die ich aus der SPD kenne, aber die als Dokumentarfilmerin auf ein Leben voller Abenteuer zurückblickt und als Kriegsflüchtlingskind Heimat viel existentieller begreift als ich es hoffentlich je muss. Sie erzählte mir, wie Zornheim Hollywood schlug und wie eine gebürtige Hamburgerin, die nicht weiß, wo ihr Grimme-Preis eigentlich ist, mit Beduinen in der Wüste unterwegs war und „Herman, the German“ in den USA traf, aber am Ende doch immer ihren Weg zurück nach Rheinhessen fand.
Günter Ollig und Herr Knussmann brachten mir Carl Zuckmayer als Schriftsteller und als Mensch näher. Günter, weit über 90 Jahre alt, verbrachte die Ferien mit Zuckmayer und erzählte so lebendig davon, als wäre es gestern gewesen. Zuckmayers Zitat, an einer Wand der Ausstellung festgehalten "Skall, Freunde. Auf jede- jede Heimat in der Welt“ rührt mich auf merkwürdige Weise. Ich sprach mit den beiden über den Naggenummer Bub, der seine Tochter Winnetou nannte, nach einem Welterfolg Versöhnung wollte, über Heimat, die einen nie verlässt und die Frage, was wäre, wenn wir alle ein bisschen wie Zuckmayer wären.
Wolfgang Bärnwick ließ sich schwäbelnd mit mir auf Sebastian Münster ein, jenen ein wenig in Vergessenheit geratenen großen Ingelheimer Sohn. Am Fuße seines Standbildes sprachen wir über einen Mann, der auf dem 100 Markschein war und nichts Geringeres tat, als das Wissen der Welt in einem Werk zu versammeln und Ingelheim dabei nie vergaß. Wieviele Heimaten man haben kann, belegten wir an ihm.- Und an Wolfgang.
Und schließlich traf ich Bianca Wagner (wieder), aus deren Feder nicht nur das Logo der Tour stammt, sondern bei der ich einen sehr launigen Nachmittag verbrachte, gezeichnet wurde und über die Bedeutung von Heimat im künstlerischen Schaffen sprach. – Und über Tränen beim Gautschen, Wein, Fassenacht und unserer beider Geburtsstadt Mainz, wo wir auch gemeinsam zur Schule gingen.
Und nach der Tour? Der Dialekt ist nach all den Gesprächen wieder ausgeprägter und irgendwie „näher“. Und wenn ich Rheinhessen für mich zusammen fassen müsste, dann bin #hierdahaam in einer Region, die herrlich herzlich ist, auch mal knorrig und doch weich im Dialekt, in dem selbst Schimpfworte irgendwie nicht böse klingen, ehrlich und bodenständig, was eine gewisse Sentimentalität (gerade nach ausreichend Wein) nicht ausschließt und ebensowenig ausgelassene Fröhlichkeit (auch gerade nach ausreichend Wein).
Eine letzte Anekdote noch von mir: Ich hatte einmal einen Kunstlehrer, der über unsere Klasse sagte, wir seien das Abziehbild dieser Region. Er meinte „kleinbürgerlich“ und damals war ich, die Möchtegern-Kosmopolitin-in-gymnasialer-Ausbildung wirklich beleidigt und zwar offenbar so nachhaltig, dass ich diese Episode nicht vergaß. Heute bin ich froh, ein „Abziehbild“ zu sein. Verwurzelt in Rheinhessen, ausgestattet mit der Lust die Welt kennenzulernen und ebenso heimkehren zu wollen. Ich empfinde das als großes Geschenk.
Alle Videos zur Tour finden Sie auf:
www.nina-klinkel.de/daheim/hier-dahaam/
SONDERBEILAGE 2: USA-Spezial
„Your life is focused on public service”
Vier Tage amerikanische Landespolitik
Über 5.500 Abgeordnete und Mitarbeiter aus den Parlamenten der amerikanischen Bundesstaaten und dazu über 200 internationale Gäste treffen sich in über 100 Politik-Sessions und Meetings. Einmal im Jahr findet ein Gipfel statt, der der Fortbildung, dem Austausch und der Stärkung des Förderalismus dient. Die „National Conference of State Legislatures“ (NCSL) ist eine überparteiliche NGO, die 1975 gegründet wurde, um diese Ziele zu institutionalisieren und den Bundesstaaten ein starkes gemeinsames Auftreten zu geben. Alle Abgeordneten der einzelnen Staaten und die Mitarbeiter der Parlamente sind automatisch Mitglied. Die Leistungen des NCSL sind für sie alle besonders wichtige, denn die meisten Abgeordneten verfügen nicht über eine vergleichbare Infrastruktur wie ich es als Landesparlamentarierin in Deutschland tue. Ein kurzer, vereinfachter Exkurs in das amerikanische politische System in den Bundesstaaten erläutert dies:
Die amerikanische Verfassung garantiert den Bundesstaaten Autonomie in all den Bereichen, die nicht ausdrücklich der Gewalt des Bundes unterstehen. In allen Staaten (außer Nebraska) gibt es Zwei-Kammer-Parlamente mit einem Senat und einem Repräsentantenhaus (Oberbegriff für beide: State Legislature). Die Abgeordneten sin der Regel auf vier Jahre (Senat), bzw. zwei Jahre (Repräsentantenhaus) in Wahlkreisen direkt gewählt. Wie viele Aufgaben ein Abgeordneter meistern muss und welche Ressourcen ihm dafür zur Verfügung stehen, entscheidet die Bevölkerungsgröße im jeweiligen Staat. Gerade einmal 10 Bundesstaaten, darunter Kalifornien und New York, verfügen über Vollzeitparlamente mit hauptberuflichen Politikern, die auf einen größeren Mitarbeiterstab zugreifen können (hier sind nicht Wahlkreismitarbeiter gemeint). 26 Staaten sind Hybride. Darunter Washington, Tennessee und Florida. Politiker hier verbringen rund 2/3 ihrer Zeit mit ihrer parlamentarischen Aufgabe. Viele müssen aber mit einem zusätzlichen Job ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Anzahl der Mitarbeiter ist deutlich geringer. In 14 Staaten ist die Aufgabe eines Landespolitikers offiziell als Halbtagsjob angelegt, mit einer geringen Zahl an Mitarbeitern. Vor allem in den ländlicheren Staaten wie Kansas oder Montana findet man diese „citizen legislatures“[1].
Beim Summer Summit der NCSL kommen sie alle zusammen. Und in diesem Jahr konnte ich erstmalig dabei sein. – Als Teil einer Delegation der „Partnerschaft der Parlamente“ (PdP) reiste ich mit Kollegen aus Bayern, Hessen und der Steiermark nach Nashville, um Teil der internationalen Gruppe zu sein. Der Verein PdP ist eine deutsch-amerikanische, nicht-staatliche Vereinigung der Länderparlamentarier. Er wurde 1983 von Landtagsabgeordneten der BRD und aus San Francisco gegründet. Der Bundesrat, die deutschen Landesparlamente, der Landtag Steiermark, der Große Rat des Kantons Basel-Stadt und der Kantonsrat Zürich sind korporative Mitglieder der PdP. Hinzu kommen rund 300 Einzelmitgliedschaften. Die Kosten der Reise und des Kongresses werden von den Teilnehmern selbst gestemmt.
Der Austausch, sowohl inhaltlicher, als auch persönlicher Art, war auch mein Ziel des Besuchs in Tennessee. Als überzeugte Transatlantikerin wollte ich einen Beitrag zum Diskurs über das deutsch-amerikanische Verhältnis leisten. Denn wenn wir konstatieren, dass die derzeitige US-Regierung ein „herausfordernder“ Partner ist, dann ist es sinnvoll, Kontakte in die Bundesstaaten hinein zu suchen. – Gerade auch für Länderparlamentarier in Deutschland. Und der Summit bietet neben dem fachlichen Input auch reichlich Gelegenheit ins Gespräch zu kommen. Die amerikanischen Kollegen zeigten sich durchweg interessiert und das Kontakteknüpfen bei den abendlichen Events oder den gemeinsamen Ausflügen, beispielsweise ins State Capitol Tennessees, war einfach.
Ich nutzte die Gelegenheit auch, um in die Inhalte der aktuellen bundesstaatlichen Politik zu schauen. Die Parallelen zu Deutschland wurden schnell deutlich. Sei es beim Thema „E-Mobilität“ und der Frage, wie man sie rascher und zuverlässig implementieren kann, bei den Problemen des „ländlicher Raums“, wo der Fokus auf dem schleichenden Breitbandausbau und seinen Auswirkungen lag, oder im Feld „Verkehrssicherheit“, wo der Alkohol als Hauptproblem abgelöst wird durch die Benutzung mobiler Geräte während des Fahrens (Nachrichten schreiben, etc.). Auf meiner Liste standen aber auch explizit „amerikanische“ Themen. Ein Panel zur Sicherheit an Schulen beispielsweise, ließ mich schließlich erleichtert über unsere restriktiven Waffengesetze zurück.
Alle inhaltlichen Seminare waren für jeden Kongressteilnehmer frei zugänglich. Parallel zum Kongress hatte eine Halle mit Ausstellern geöffnet und hier traf man dann auch auf die NRA, auf Diabetikerverbände und lokale Brauereien. – Also auf einen bunten Mix von Lobbyisten.
Am eindrucksvollsten und vielleicht am „amerikanischsten“ war die Eröffnungsveranstaltung des Gipfels. Tausende Kollegen füllten den großen Saal des Music City Center, dem Tagungsort. Ein Image-Film stimmt die Besucher bildgewaltig und mit amerikanischen Superlativen auf die bevorstehenden Tage ein („You carry the torch of democracy“). Auf die Tennessee State Police Color Guard, die die Flaggen präsentierte, folgte die Nationalhymne, vorgetragen von einer jungen Countrysängerin. Und als dann aus 3000 Kehlen der „Pledge of Allegiance“ erklang, berührte das auch uns als deutsche Delegation. Es ist einfach alles ein bisschen monumentaler in den USA. Den Höhepunkt der Veranstaltung stellte freilich der Auftritt von Dolly Parton dar. Nashville geht nicht ohne Countrymusik. Überall in der Stadt schallt es aus den Lautsprechern, man kann in den unzähligen Bars jeden Abend Livemusic all jener hören, die gerne in Dollys Fußstapfen treten möchten. Und natürlich sang die 73jährige Countrylegende, die ganz nebenbei auch Eigentümerin eines eigenen Ferienparadieses namens „Dollywood“ ist, auch. Zum Beispiel ihren Hit „Jolene“ und zwar live und sich selbst auf der Gitarre begleitend. Im Interview war sie entwaffnend („I’m neither Republican or Democrat, I’m a hypo-crat“), aber ihr eigentliches Anliegen war die Vorstellung ihres Projektes „Imagination Library“, bei dem jedes Kind vom Tage seiner Geburt an bis zu seinem 5. Geburtstag (Einschulung) jedes Jahr ein Buch kostenlos gesandt bekommen kann. 125 Millionen Bücher sind so bereits über die Staaten verteilt worden.
Nach vier Tagen Kongress und diversen „Events“ am Rande desselben, verließ ich Nashville mit einem Bündel an Visitenkarten. Die Reise brachte mir das, was ich mir erhofft hatte: Ein Blick auf das politische Amerika, fernab vom Weißen Haus und der persönliche Austausch. Ein Highlight war der Diskurs mit Demokraten über die DemDebates der Präsidentschaftskandidatenanwärter, die wenige Tage zuvor stattgefunden hatten. Und dann ging es am Ende doch etwas um Trump, aber viel mehr um die Gemeinsamkeiten, die unsere Länder verbinden und um die Notwendigkeit, den Kontakt zu halten.