"Wir müssen aufhören Krankenhäuser wie Unternehmen zu behandeln"

Landtagsabgeordnete Nina Klinkel wendet sich in einem emotionalen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Spahn

 „Die Corona-Krise führt noch einmal deutlich vor Augen, wie wichtige dezentrale Gesundheitsversorgung ist“, schreibt die Landtagsabgeordnete Nina Klinkel (SPD) in einem emotionalen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. In Ingelheim stehe ein Krankenhaus mit engagierter und hart arbeitender Pfleger- und Ärzteschaft immer wieder am Rande der Existenz. Sie stimme dem Oberbürgermeister der Stadt zu, der die Bedeutung des Hauses betone. Aber die Suche nach einem Träger erweise sich als schwierig, denn jeder Träger sei zunächst mit der Frage der Wirtschaftlichkeit konfrontiert. Das Problem läge im Gesundheitssystem der Bunderepublik Deutschland. Klinkel führt auf, dass 2019 65 Kliniken und Krankenhäuser in Deutschland in die Insolvenz gegangen seien. Diese Massenerscheinung trete vor allem bei kleineren Krankenhäusern in unterschiedlichen Trägerschaften in den ländlich strukturierten Gebieten auf. „Sie sind in diesem erschaffenen Gesundheitsmarkt massiv unter Druck geraten“, so Klinkel.  Träger sähen sich nicht mehr in der Lage wirtschaftliche Fortsetzungen zu garantieren, neue Träger wagten kaum den Versuch.

 

„Mit der Einführung des DRG-Systems in Deutschland wurden Krankenhäuser aus dem Versorgungsauftrag in eigentliche kleine Unternehmen der Gesundheitswirtschaft überführt, die betriebswirtschaftlich agieren und rechnen müssen. Gerade die kleineren Häuser können das nicht, haben aber die gleichen Vorhaltekosten wie die übrigen Häuser vom Bund auferlegt“, so Klinkel weiter und nennt zudem die Problematik der Gremienbesetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): In diesem mächtigen Gremium deutscher Gesundheitspolitik säßen u.a. Vertreter von Kassen, die genau sagten, was überhaupt noch finanziert werden könne. Auf der anderen Seite stünden die Häuser, die dem nicht entgegengehen könnten. „Sie sind die Verlierer des DRG-Systems und dieses Systems der G-BA. Denn sie sind die Verlierer einer betriebswirtschaftlichen Rechnung. Und sie werden ihre Aufgabe in der flächendeckenden Versorgung nicht mehr nachkommen können“. Diese Fragen stünden abseits von Fragen nach Investitionsförderungen, sondern seien systemimmanent. „Wir müssen aufhören Krankenhäuser wie Unternehmen zu behandeln“, fordert Klinkel.

 

Das Land Rheinland-Pfalz habe bereits eine Bund-Länder Arbeitsgruppe zum DRG-System initiiert und zudem im Bundesrat bereits im November 2019 den Antrag „Erhalt der qualitativ hochwertigen flächendeckenden stationären Krankenhausversorgung - Krankenhäuser stärken“ gestellt, der auch von den Fachausschüssen und vom Bundesrat beschlossen worden sei. Klinkel erinnert: „Der Bundesrat hat festgestellt, dass die gesetzlichen Anforderungen des Bundes an die Häuser steigen, er hat zudem die Notwendigkeit unterstrichen, die finanzielle Ausstattung der Akutkrankenhäuser nicht nur im Pflegesektor zu verbessern und er hat festgestellt, dass die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden qualitativ hochwertigen Versorgung auch in den Regionen eine Aufgabe ist, bei der Bund sich engagieren muss, sowohl im Kontext der gleichwertigen Lebensverhältnisse, als auch im Rahmen der Gesetzgebungskompetent für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze. Nun sei der Minister am Zug.

 

„Ich weiß, dass die Corona-Krise alle Kräfte bündelt“, schließt Klinkel ihr Schreiben an den Bundesgesundheitsminister. „Ich bin dankbar in einem Land zu leben, in dem diese Krise so umsichtig gehandhabt wird. Und ich bin überzeugt, dass diese Krise auch Chancen bietet. Zum Beispiel jene, unser Gesundheitssystem wieder auf andere Füße zu stellen, denn es wird gerade jetzt deutlich, wie wichtig dezentrale, flächendeckende Versorgung ist. Hier ist der Bund in der Verantwortung. Es muss möglichst schnell zu einer Verbesserung der Finanzausstattung der Krankenhäuser kommen. Nur dann können wir verhindern, dass die wirtschaftliche Notlage der Krankenhäuser weiter Löcher in die Versorgung reißt oder dass keine Träger mehr gefunden werden. Das kann kein Land alleine und erst Recht keine Kommune. Wir wollen unser Krankenhaus in Ingelheim erhalten. Für die Menschen. Die Bundesgesetzgebung erschwert uns das. Handeln Sie bitte“.

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